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Interviews

PoliMeR im Gespräch

Dr. Christian Gößinger von PoliMeR (Politische Medienbildung Regensburg) über Beweggründe, politische Bildung bereits in der Grundschule zu thematisieren und über Ausblicke, was nach dem Projektende bleibt


Was treibt dich an und euch an? Was sind eure Motive hinter eurer Maßnahme?

C.G.: Die Antworten sind jetzt aus meinem Munde, aber von allen Projektmitarbeitenden getragen. Wir wollten die politische Bildung in die Grundschule bringen. Klassische Themen aus dem Lehrplan, also wir gehen auf die Gemeinde oder wir machen eine Klassensprecherwahl, sind natürlich wichtige Aspekte der politischen Bildung. Aber wir wollten mehr haben, weil politische Bildung einfach mehr bedeutet. Unsere Thematik am Schnittpunkt Medienbildung und politischer Bildung ist etwas neuer. Denn wir wissen, dass die Grundschüler:innen schon viel unterwegs sind im Internet und sich Informationen dort beschaffen. Dieser Bereich der Informationsbeschaffung ist auch für die politische Meinungsbildung unheimlich wichtig. Demokratie lernen, Politik lernen in Zeiten der Digitalität waren für uns die wichtigen Punkte. Zum anderen war uns auch der Bereich der Kinderrechte wichtig, dass man die ernst nimmt und ihnen den Raum gibt eben auch im Grundschulalter. Das bedeutet, dass die Schüler:innen in Hinblick auf Digitalität ein Recht auf Information, aber auch auf Selbstbestimmtheit haben. Also nicht um zu fragen, was erlauben wir Kindern, sondern, was brauchen eigentlich heutige Kinder, um mit diesen Herausforderungen klarzukommen, um partizipieren zu können und Digitalität mitgestalten zu können. Das hat zu wenig Raum und ist auch noch nicht im Bewusstsein vieler Lehrkräfte und Lehramtsstudierenden.

In dem L-DUR Projekt geht es vornehmlich um die Lehrkräftebildung. Wie sieht eure Motivlage in diese Richtung aus?

C.G.: Unsere Erfahrung ist, und das sagt auch die empirische Forschung, dass gerade die Lehramtsstudierenden eher unpolitisch sind. Wir möchten deswegen dieses Bewusstsein bei den Studierenden wecken. Es wäre dann auch wichtig, die politische Medienbildung in unterschiedlichen Bereichen der Lehramtsausbildung zu verankern. Die kritische Reflexion des Arbeitens nicht nur mit, sondern über Medien ist bisher zu wenig mit Ideen und Vorschlägen hinterlegt.

Was habt ihr gelernt?

C.G.: Als wir angefangen haben, uns über diese Thematik im Bereich der Medienbildung, Medienerziehung und der politischen Bildung Gedanken zu machen, war das noch kaum belegt. Und in den letzten Jahren wurde an immer mehr Standorten und in verschiedenen Projekten in diese Richtung geforscht. Die Vernetzung mit den anderen Projekten, der Austausch, waren etwas, wo wir selber auch unheimlich viel dazugelernt haben. Das hat uns auf jeden Fall nach vorne gebracht und hat uns gezeigt, dass wir auf ein wichtiges Thema gesetzt haben.

Was habt ihr als wichtige und große Herausforderung erlebt?

C.G.: Organisatorisch waren es natürlich Corona und die Einschränkung in Schulen zu gehen und mit Lehrkräften zu arbeiten. Unsere Studierenden sollten im Seminar überlegen, wie die Vermittlung stattfinden kann und das im Idealfall auch an Schüler:innen ausprobieren. Es war schwierig bis unmöglich, Studierende in die Schulen zu bekommen. Außerdem sollte es ja eine Tandemveranstaltung sein mit Lehrkräften. Auch das war natürlich in Präsenz nicht möglich. Auch nach Corona war es noch schwierig: Das Interesse war da, aber viele Lehrkräfte sind insgesamt zu eingespannt, als dass sie sich diesem Thema widmen würden. Aber wir waren dann doch sehr froh, immerhin einige Lehrkräfte, die sehr engagiert dabei waren, gewonnen zu haben.

Kurze Nachfrage: Ist euer Thema verbindlich im Lehrplan genannt oder nur in diesen allgemeinen Texten? Meist wirkt sich das sehr auf die Teilnahmebereitschaft aus.

C.G.: Medienbildung/Digitale Bildung und politische Bildung sind klassische übergreifende Bildungs- und Erziehungsziele in den bayerischen Lehrplänen aller Schularten und z.B. auch im Sachunterricht der Grundschule zu finden. Aber in unserer Konkretisierung ist das natürlich nicht so genannt. Da kommt man jetzt nicht unbedingt auf die Idee, eine Fortbildung zu Algorithmen, Big Data & KI zu machen.  Wir haben gelernt, dass es sehr auf das Wording einer Ausschreibung einer Fortbildungsveranstaltung ankommt. Wenn man es nämlich formuliert „Sicherer Umgang mit dem PC und dem Internet“, dann rennen einem die Lehrkräfte die Bude ein. Und wenn man es aber so nennt wie wir, also „Politische Bildung und Medien“, dann ist das vielleicht zu abstrakt. Und auch inhaltlich haben wir Herausforderungen gehabt. Wir arbeiten mit sehr komplexen Themen. Und die aufzubereiten für die Grundschule auf der einen Seite, aber auch schon für die Arbeit mit den Studierenden oder mit den Lehrkräften, das ist wirklich herausfordernd. Und bei Themen wie der politischen Bildung oder auch Umgang mit Medien, die sich ständig verändern, kann man auch nicht einfach Handlungsfäden generieren.

Kannst du noch bisschen genauer erklären, worin die Probleme liegen?

C.G.: Bei der Arbeit mit den Studierenden ist die größte Schwierigkeit, dass wir ja auf eine Metaebene gehen wollen in der Betrachtung der beiden Themen. Wir wollen Vernetztheit besprechen und die Studierenden und Lehrkräfte dazu bringen, sich darüber Gedanken zu machen, wie sie das umsetzen können in der Schule. Das Problem ist aber, dass die informatischen Grundlagen dafür und auch das politische Verständnis darüber, also wie geht Informationsgewinnung, wie geht Meinungsbildung, noch nicht so weit vorhanden und ausgeprägt sind. Wir machen das im Prinzip in einem. Geplant ist es in einem Semester mit anderthalbstündigen Sitzungen mit Online-Angeboten als Ergänzung. Diese beiden Themen sollen verschränkt gedacht und bearbeitet werden und Unterrichtseinheiten sollen dazu entwickelt werden. Das ist schon umfangreich und anspruchsvoll.

Worauf seid ihr stolz?

C.G.: Wir haben als Team super zusammengearbeitet und uns gut ergänzt. Das kann ja auch anders sein. Und wir sind stolz auf die engagierten Studierenden und die Lehrkräfte, die dabei waren. Gerade die haben uns ein unheimliches positives Feedback gegeben. Wir hatten am Anfang ein bisschen die Bedenken, ob sie bei der Komplexität der Themen mitgehen oder dass das vielleicht was ist, wo die Lehrkräfte sagen, ihr seid ja so weit weg von unserem Alltag. Aber dann waren sie dabei und haben gesagt „Wow, krass. Jetzt versteh ich das erst, warum meine Klasse so auf dieses What´s App Zeug reagiert und warum die da so abgehen“. Da haben die Lehrkräfte zurückgespiegelt, dass das was ist, was sie für ihre Arbeit in der Schule brauchen können und was sie auch gerne als Multiplikator:innen weitergeben.
Außerdem sind wir stolz darauf, dass wir auf eine Thematik aufmerksam geworden sind, die jetzt immer mehr an Bedeutung gewinnt und wo man immer mehr aufmerksam wird, dass man da miteinander denken muss und das miteinander erarbeiten muss.

Steht ihr da mit Leuten in Verbindung?

C.G.: Ja. Wir haben zum Beispiel bei Politikdidaktiker:innen vorgetragen. Die Vernetzung ist uns gut gelungen: Innerhalb der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts, aber auch z.B. mitForscher:innen aus dem Bereich der Critical Data Literacy.

Wie malt ihr euch für euren Bereich die Zukunft aus oder gibt es für euch eine Idee, wie ihr das weitertragen wollt?

C.G.: Wir haben natürlich viel entdeckt, wo wir gerne weiterforschen würden! Aber zunächst werden die entstandenen Materialien den DigiLabsUR zur Verfügung stellen und auch am Lehrstuhl wird das in Zukunft einen Stellenwert haben. Wir haben auch für die Virtuelle Hochschule Bayern im Rahmen des Projektes Lerneinheiten gestaltet, die andere Dozent:innen in ihre Lehre einbauen können. Dadurch haben wir es, glaube ich, schon verstetigt und den Gedanken zumindest so eingepflanzt, dass er weiterhin wächst und sich ausbreitet.

Was du gerade beschrieben hast, ist das für Studierende oder auch für Lehrkräfte?

C.G.: Die VHB-Angebote sind ja für Dozent:innen, die die Studierenden im Prinzip damit versorgen und auf die Thematik vorbereiten können. Aber wir bieten Materialien auch über die Homepage des Lehrstuhls an. Ich denke, dass wir dadurch Lehrkräfte erreichen und das Thema auch in die Schule kommt.

Gibt es noch Aspekte, die in meinen Fragen jetzt nicht vorkamen?

C.G.: Den Blick auf die Gesamtmaßnahme nehmend finde ich es gut, dass wir am Ende eine große Abschlusstagung machen, unter dem Dach von L-DUR und KOLEG2, weil es einfach ressourcenschonender ist. Wir hatten am Anfang vor, das alleine zu machen. Aber ich glaube, für uns als einzelne, kleine Einheit wäre das zu groß geworden.

Das Gespräch führte Prof. Dr. Karsten Rincke.


L-DUR wird im Rahmen der gemeinsamen "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. (FKZ: 01JA2010)

L-DUR wird im Rahmen der gemeinsamen "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. (FKZ: 01JA2010)


L-DUR

Wissenschaftliche Projektleitung:

Prof. Dr. Meike Munser-Kiefer

Prof. Dr. Karsten Rincke

Logo L-DUR - Lehrkräftebildung Digital an der Universität Regensburg

Organisatorische Projektleitung:

Natascha Lehner